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Die glücklichste Lady von London

Dezember 2014
ebook and print
Originaltitel: The Luckiest Lady in London
ISBN-13: 9781631280108
ISBN-10: 1631280104

Die glücklichste Lady von London

„Einfach hinreißend.“ – New York Times Book Review

Von Kirkus Review und Library Journal als bester Liebesroman des Jahres 2013 ausgezeichnet.

Miss Louisa Cantwell ist nach Jahren sorgfältiger Vorbereitungen endlich in London, wo sie eine gute Partie machen muss, um die Versorgung ihrer Schwestern zu sichern. Schon bei der ersten Begegnung mit Felix Rivendale, Marquis of Wrenworth, fühlt sie sich heftig zu dem gut aussehenden, reichen Junggesellen hingezogen, räumt sich aber keine Chancen auf den „Idealen Gentleman“ ein.

Obwohl er eigentlich ganz andere Pläne mit der reizenden Miss Cantwell hatte, bietet der Marquis ihr schließlich doch die Ehe an und macht sie, so die allgemeine Meinung, wohl zur glücklichsten Lady von London. Aber bald schon entdeckt Louisa, dass die Perfektion ihres Verlobten nur Schein ist. Dumm nur, dass sie da schon längst ihr Herz an ihn verloren hat …

„Ein Meisterwerk. Ein wunderschön geschriebener, exquisit verführerischer … Edelstein unter den Liebesromanen.“ – Ausgezeichnete Rezension, Kirkus Review

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Leseprobe

Kapitel 4

„Sie sollten ihr nicht solche Hoffnungen machen“, sagte Miss Cantwell, als sie aus Lady Balfours Hörweite waren.

Die glücklichste Lady von London

Sie hatte wirklich eine ansprechende Art, sich zu bewegen. Sie ging, als schwebte sie, aber mit genug Schwung in den Hüften, um Interesse zu erregen.

„Ich kann aufrichtig beschwören, dass ich nie etwas getan habe, um ihr Hoffnung zu machen“, antwortete Felix auf ihren Vorwurf, einen Anflug von Selbstgefälligkeit in der Stimme.

Sie hörte es. „Das ist mir nicht entgangen. Am Ende der Saison wird sie, wenn sie zurückblickt und sich fragt, warum es keinen Antrag von Ihnen gegeben hat, erkennen, dass jedes Mal, wenn uns die Umstände zusammengebracht haben, es entweder wegen eines Gefallens für Lady Tenwhestle oder sie selbst geschehen ist – und dass Sie mich nie aus eigenem Antrieb aufgesucht haben.“

„Ich hoffe, Sie würden das billigen – dass ein Mann in meiner Stellung tut, was er kann, um zu verhindern, versehentlich zu heiraten.“

Ihr Sonnenschirm drehte sich. „Ich habe keinen Zweifel, dass sie ohne den Schatten eines Vorwurfs bleiben, aber Sie können mir nicht weismachen, dass Sie sich nicht darüber im Klaren sind, welche Hoffnung Sie in Lady Balfours Herz säen.“

„Ich werde mein Tun für verzeihbar halten, solange ich diese Hoffnungen nicht in Ihrem Herzen säe“, erwiderte er glatt. Und dann, in einem Moment echter Neugier, fragte er: „Tue ich das?“

„Ich will nicht vorgeben zu verstehen, was hinter Ihrem Interesse an mir steht, außer, dass ich weiß, dass es nicht von der Art ist, die zur Kirche führt.“

Kluges Mädchen. Er strahlte sie an. „Dann muss ich keine Angst haben.“

Sie kamen an den jungen Männern und Frauen vorbei, die Blinde Kuh spielten. Mr Pitt gehörte dazu, stand neben Miss Lovett. Er sandte einen Blick voll unglücklicher Sehnsucht zu Miss Cantwell.

„Irgendwelche …“, begann Felix.

„Nein“, erwiderte Miss Cantwell schlicht.

„Was für eine Schande. Ich bin sicher, dass all die wichtigen Herren, die dafür gestimmt haben, als das Parlament die Korngesetze außer Kraft gesetzt hat, nie gedacht hätten, dass ihre Entscheidung solch drastische Auswirkungen auf Ihre Eheaussichten haben würde.“

„Sie vergessen die Herren, die die Entwicklung von Eisenbahn und Dampfkraft weiter vorangetrieben haben, sodass diese Techniken billiger und schneller wurden, und auch all jene, die den Maschineneinsatz in der Landwirtschaft weiterentwickelt haben“, antwortete sie düster. „Die haben auch nicht einen Gedanken an die zukünftige Verarmung all der englischen Squires verschwendet, die anderenfalls so herrliche Ehemänner für mich abgegeben hätten.“

„Der gesamte Lauf der jüngsten Geschichte scheint sich gegen Sie verschworen zu haben.“

„An diesem Punkt würde mich das nicht erstaunen.“ Sie schwieg ein paar Atemzüge lang. „Und warum, genau, sind Sie, mein Herr, an meinen Fortschritten in Bezug auf eine Ehe – oder dem Fehlen davon – interessiert? Sie wollen mich selbst nicht heiraten, daher kann das nicht der Grund sein. Trotz Ihrer ungewöhnlich offenen Diskussionen zu dem Thema, sind Sie keiner meiner Freunde, daher kann das also nicht der Grund sein. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann mir nichts anderes vorstellen.“

Endlich, eine direkte Salve. Sie erreichten ein neues Level von Vertrautheit, er und Miss Cantwell. „Verbringen Sie viel Zeit damit, über meine Motive nachzudenken?“

Der Griff des Sonnenschirms drehte sich schneller. „Manchmal. Freut Sie das?“

Ja. Und wie. „Manchmal.“

„Und mein Missgeschick – meine Unfähigkeit, einen guten Antrag zu erhalten – macht Ihnen das auch Freude?“

Sie hatte ihn schon zuvor mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Es störte ihn, dass der Ideale Gentleman solch unverhohlener Schadenfreude bezichtigt wurde. „Dann wäre ich ein schrecklicher Mann, Miss Cantwell.“

Die glücklichste Lady von London

„Aber ich habe recht, nicht wahr?“, fragte sie und starrte geradeaus. „Amüsiert es Sie, zuzusehen, wie ich mich vergeblich abmühe?“

Er hob einen niedrig hängenden Ast, sodass sie darunter hindurch gehen konnte. „Es amüsiert mich nicht an sich. Aber ich kann nicht leugnen, dass es mir Gelegenheiten eröffnet, die ich nutzen kann.“

Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. „Mir ist nicht klar, wie Sie aus meinem Misserfolg auf dem Heiratsmarkt Vorteile ziehen können.“

„Ich habe ein paar Berechnungen bezüglich Ihrer zukünftigen Umstände angestellt, sollten Sie am Ende der Saison heimkehren, ohne einen Antrag ergattert zu haben.“

„Und haben diese Berechnungen Ihr Mitgefühl erregt oder Ihre Verachtung geweckt?“

„Mir ist aufgefallen, dass die Summe, die nötig ist, um all Ihren Schwestern und Ihnen ein Leben in angenehmen Umständen zu sichern – man könnte sogar von mildem Luxus sprechen –, sich auf eine Höhe beläuft, die in meinen Rechnungsbüchern nicht weiter auffallen würde.“

„Himmel, wie konnte ich nur ahnen, dass Ihre Einnahmen von einem Tag meine Familie ein ganzes Jahr mit allem Lebensnotwendigem, Kleidung und einem Dach über dem Kopf versorgen würde? Es ist so schade, dass reiche Männer nicht reich werden – oder bleiben –, indem sie mittellose junge Damen von vornehmer Abstammung retten.“

Sie hatte eine spitze Zunge, dieses Frauenzimmer. Das gefiel ihm.

„Allerdings. Reiche Männer finanzieren junge Frauen nicht aus reiner Herzensgüte. Immerhin kann ich mir durchaus vorstellen, Ihnen eine solche Summe zu überlassen – für eine entsprechende Rendite.“

Sie starrte ihn an.

Er musste sich ein Lächeln verkneifen. „Bleiben Sie nicht stehen, Miss Cantwell. Ich sehe, Ihr Verstand hat schon eine bestimmte Richtung eingeschlagen.“

Sie setzte wieder einen Fuß vor den anderen, obwohl sie ein wenig stolperte. „Wie viele Richtungen gibt es bei so etwas?“

„Stimmt, nicht viele. Also, lassen Sie mich direkt sein: Ich werde Ihnen ein Haus geben, nicht weit von dem gegenwärtigen Wohnsitz Ihrer Familie entfernt und mit bester Ausstattung. Sie können damit tun und lassen, was Sie wollen, aber ich empfehle Ihnen, es zu vermieten, sodass Sie ein zusätzliches Einkommen haben zu der Pension, die ich Ihnen für den Rest Ihres Lebens aussetzen werde, eintausend Pfund im Jahr.“

Er musste sie wieder daran erinnern, nicht stehen zu bleiben.

„Für … dafür, dass ich mit Ihnen schlafe?“

„Für das Vergnügen Ihrer Gesellschaft.“

Sie sah aus, als müsste sie sich mit aller Kraft beherrschen, nicht mit ihrem Sonnenschirm auf ihn einzuschlagen. „Nein.“

Natürlich musste sie seinen Vorschlag unverzüglich ablehnen. Natürlich war sie empört und beleidigt. Sein Ziel des Tages war keineswegs ein sofortiger Sieg, sondern ihr die Keimzelle des Möglichen einzupflanzen.

„Warum nicht?“, fragte er, als hätte sie nicht einen schändlichen Verkauf ihrer selbst abgelehnt, sondern nur ein Tennisspiel auf dem Rasen.

Seine Frage erstaunte sie. Als sie antwortete, war es fast ein Fauchen. „Ich werde meinen Ruf nicht opfern. Oder meiner Familie Schande bereiten.“

Die glücklichste Lady von London

„Wer hat denn irgendetwas von dem Verlust Ihres Rufes gesagt? Sie glauben doch sicherlich nicht, dass ich vorhabe, am helllichten Tag aus einer anständigen jungen Dame eine gefallene Frau zu machen?“

„Wie dann?“

Er hatte etwas moralische Entrüstung von ihr erwartet. Dennoch war es ermutigend, wie rasch sie sich den praktischen Aspekten zuwandten. „Sehr leicht sogar. Ich gebe zweimal jährlich eine Hausgesellschaft auf meinem Landsitz, jeweils mit einer Dauer von zehn bis vierzehn Tagen. Ich werde Sie und eine Anstandsdame einladen – und dann im weiteren Verlauf dafür sorgen, dass Ihre Anstandsdame beschäftigt ist.“

Sie blinzelte angesichts dieser gewandten Erläuterung. „Was Sie da vorschlagen, ist Wahnsinn. Es gibt einen Grund, warum junge Damen, die etwas auf ihren Ruf geben, sich nicht auf diese Weise mit Herren einlassen. Es gibt schließlich Konsequenzen. Was, wenn ich“, sie wurde über und über rot, „schwanger werde?“

„Wer hat etwas von Handlungen gesagt, die zur Fortpflanzung führen?“

Einen Moment lang sah sie verblüfft aus, dann färbten sich ihre Wangen in einem noch zornigeren Rot. „Dann haben Sie also unnatürliche Akte im Sinn?“

Er lachte leise. „Nennen Sie so die amourösen Aktivitäten, die nicht dazu führen, dass eine anständige junge Dame ein Kind erwartet?“

Sie holte tief Luft. Mit beiden Händen fasste sie den Griff des Sonnenschirms. „Ich hatte schon vorher keine besonders hohe Meinung von Ihnen, Sir, aber dennoch wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, Sie seien zu etwas derart Obszönem imstande.“

Ihre Zurechtweisung gefiel ihm. „Es ist nicht schön, was ich vorschlage. Keine Blumen, keine Geschenke, aber es wird Miss Matilda vor dem Armenhaus bewahren, wenn Ihre anderen Schwestern sich abmühen müssen, ein Dach über dem Kopf zu haben.“

„Sie wird nie auch nur in die Nähe eines Armenhauses kommen“, erwiderte Miss Cantwell heftig. „Sie ist ein wunderbares Mädchen, und wir haben Verwandte, die sie liebend gerne bei sich aufnehmen.“

„Und welche Verwandten sollten das sein? Lady Balfour überlebt Ihre Mutter am Ende nicht, Und selbst wenn eine ihrer Töchter bereit wäre, eine Invalidin bei sich aufzunehmen, die rund um die Uhr beaufsichtigt werden muss, denken Sie nicht, deren Ehemann könnte Einwände erheben? Wollen Sie sich wirklich auf deren Freundlichkeit und Güte verlassen, wenn Sie stattdessen verlässlich ein Vermögen in barer Münze und zusätzlich ein stattliches Haus erhalten können?“

Louisa kam ein schrecklicher Gedanke. „Das haben Sie schon früher getan, nicht wahr? Eine eigentlich respektable junge Frau in schwierigen Umständen dazu verleitet, den rechten Weg zu verlassen und sich zu prostituieren.“

Er wirkte ehrlich entsetzt über diese Anschuldigung. „Selbstverständlich nicht.“

„Warum dann mich?“

Er sah ihr direkt in die Augen. „Weil ich nie so heftig von einer Frau begehrt worden bin, die mich derart verabscheut. Ich würde das gerne voll und ganz auskosten.“

Zur Hölle mit seinen schönen Augen. Und der liebe Gott müsste eigentlich mal darlegen, warum Er sich so oft dafür entschied, die korruptesten Menschen mit einem attraktiven Äußeren zu beschenken.

„Was ist mit Ihnen los?“, beschwerte sie sich.

„Ein Adeliger mit verderbtem Geschmack – wie schockierend“, murmelte er und fühlte sich offenkundig nicht im Mindesten getadelt.

Einen Moment war sie sprachlos angesichts dieser unbekümmerten Akzeptanz seiner Verderbtheit. Der Ideale Gentleman, also wirklich.

„Sie sind vermutlich die vernünftigste und pragmatischste junge Frau, die ich je getroffen habe“, fuhr er fort. „Denken Sie über das nach, was ich Ihnen angeboten habe – und ich meine nicht nur Sicherheit für Miss Matilda. Ihnen bleibt die Ehe mit einem Mann erspart, den sie nicht lieben. Elf Monate im Jahr wird kein Mann Sie behelligen, den Frieden und die Stille ihres Daseins stören. Sie können reisen, wenn Sie wollen. Sie können sich entscheiden, nie das Haus zu verlassen. Oder Sie können all Ihre wachen Stunden im Lesesaal des Britischen Museums verbringen.

Die glücklichste Lady von London

Welcher Ehemann wird Ihnen Freiheiten von solchen Ausmaßen und solcher Güte einräumen? Welcher Ehemann wird mit dem Nadelgeld, das er Ihnen bietet, so großzügig sein? Und welcher Ehemann wird, sei er noch so perfekt in allen anderen Aspekten, Ihnen zugestehen, Ihre berechnende und eigentlich gar nicht so liebenswürdige Art weiterzupflegen?“

Der Mann sprach mit der süßen gespaltenen Zunge des Teufels höchstpersönlich.

„Nein“, sagte Louisa erneut, aber dieses Mal fiel es ihr schwerer.

Er hob eine Braue. „Nicht einmal für die liebe Matilda?“

„Die liebe Matilda würde nie wollen, dass ich mich der Erniedrigung aussetze – und besonders nicht ihretwegen.“

„Sie sind sich ihrer Liebe so sicher?“

„Ja. Und sollte es so sein, dass sie mich nicht genug liebt, warum sollte ich dann für sie zum Märtyrer werden?“

Er lächelte neuerlich. „Wie wahr.“

Sie verspürte eine Wärme, die nichts damit zu tun hatte, dass das Thema ihres Gespräches so vollkommen unpassend war, aber alles mit seiner Billigung dessen, was der Rest der Welt als Selbstsüchtigkeit abgetan hätte.

Sie hatte diese egoistische Überlegung für sich behalten. Selbst ihre Mutter und ihre Schwestern verstanden es nicht wirklich – sie hielten sie alle für die gute, selbstlose Tochter, die liebend gerne alles für ihre Familie täte.

Aber er mochte sie. Genau betrachtet schien er sie viel mehr wegen ihrer Mängel zu schätzen als wegen irgendwelcher Tugenden, die sie vielleicht besaß.

„Dann lassen Sie mich Ihnen erzählen, was Sie persönlich an Vorteilen daraus ziehen würden. Das Haus, das ich Ihnen überschreiben würde, erzielt derzeit Mieteinnahmen in Höhe von fünfhundert Pfund im Jahr. Stellen Sie sich vor, was sie mit einer solchen Summe tun könnten. Oder, wie ich Sie kenne, stellen Sie sich vor, wie angenehm es sein wird, dabei zuzusehen, wie Ihr Bankkonto sich jeden Monat weiter füllt.“

Das würde ihr gefallen, oder etwa nicht? Sie würde voller Eifer die verschiedenen monatlichen Einnahmen aufschreiben – Mieten und Zinsen und vielleicht Dividenden aus vorsichtigen Investitionen –, ein Vergnügen, das sie nie zuvor gehabt hatte in all den Jahren, in denen sie arm gewesen war. Dann würde sie ausrechnen, um wie viel ihr Einkommen ihre Ausgaben überstieg und sich daran freuen, wie ihr angenehmes Sicherheitspolster wuchs.

Dieses Mal musste sie sich bemühen, prüde zu widersprechen. „Mylord, die einzige Art und Weise, wie ein Mann in mein Bett kommt, besteht darin, mich zuvor zu heiraten. Das gilt für Sie so wie für alle anderen.“

„Verführerisch, aber leider trage ich mich momentan nicht mit Heiratsabsichten“, erwiderte er entschieden. „Sie sind sich ganz sicher, dass ich Sie nicht mit einer Grundausstattung für Ihre eigene Bibliothek in Versuchung führen kann?“

Eine bloße Kleinigkeit, trotzdem fühlte sie sich, als sei sie vom Blitz getroffen. Und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, als verstünde sie das Spiel jetzt, wie sie es zuvor nicht getan hatte. Zunächst einmal war es für ihn ein Spiel. Er verlangte alles von ihr, was irgendeinen Wert besaß, aber er selbst gab nicht mehr als – wie hatte er es vorhin ausgedrückt? – einen Betrag, der in seinen Rechnungsbüchern gar nicht weiter auffiel.

Zweitens würde er ihre Antwort von heute nicht als ihre endgültige Antwort ansehen. Er hatte sich schließlich noch mehrere Wochen bis zum Ende der Saison Zeit gelassen, um ihren Widerstand nach und nach niederzuringen, einen Prozess, den er so genießen würde wie der Herr des Château Lafite-Rothschild seinen besten Wein genoss.

Und drittens musste es einen Weg für sie geben, dieses Spiel mitzuspielen. Außer, dass sie bislang nicht wusste wie. Sie hatte sein erstes Gebot gehört. Konnte sie auch zwei Häuser verlangen? Oder zweitausend Pfund im Jahr?

Und, noch wichtiger, wollte sie das? Er verlangte nur vier Wochen im Jahr, aber sie war nicht so naiv zu glauben, dass Gedanken an ihn nicht all ihre wachen Stunden im Rest des Jahres beherrschen würden, wenn er ihr Liebhaber wurde. War ein Haus und eine Pension von tausend Pfund im Jahr – oder auch das Doppelte – eine hinreichend Kompensation dafür, ihm völlig verfallen zu sein?

Vergiss die Eifersucht nicht, die sicherlich nicht ausbleibt, fügte eine Stimme in ihr hinzu. Du glaubst doch selbst nicht, dass er die anderen elf Monate zölibatär leben wird, oder? Er wird eine Affäre nach der anderen haben. Außerdem würde er irgendwann auch einmal heiraten.

Die glücklichste Lady von London

Beim Gedanken an die zukünftige Lady Wrenworth breitete sich in ihrer Brust eine seltsame Taubheit aus. Sie konnte sich mühelos vorstellen, wie sie sich zufällig begegneten, was natürlich erst sein würde, nachdem er ihrer längst müde geworden war. Mit einem belustigten Lächeln würde er seiner ehrenwerten Gattin sein ehemaliges „Spielzeug“ vorstellen, die natürlich, jung, schön und unverbraucht wäre, während Louisa selbst sich langsam einem mittleren Alter näherte und den Inbegriff einer hausbackenen Frau darstellen würde.

„Und habe ich schon erwähnt, dass ich ein kompetenter und rücksichtsvoller Liebhaber bin?“, bemerkte der gegenwärtige Lord Wrenworth und hielt ihr einen weiteren Köder vor die Nase.

„Das bezweifle ich nicht“, antwortete sie. „Genau genommen …“

Ihre Stimme verlor sich.

„Genau genommen was?“, hakte er nach.

Sie hätte ihm beinahe von diesen erotischen Gedanken erzählt, die sie jede Nacht plagten. Unter normalen Umständen wäre es ein Fehltritt von biblischen Ausmaßen. Aber gab es überhaupt noch so etwas wie normale Umstände, wenn es um Lord Wrenworth ging?

„Genau genommen“, zwang sie sich zu sagen, ehe sie es sich anders überlegen konnte, „liege ich des Nachts wach und stelle mir vor, wie Sie mich aus der Dunkelheit beobachten. Und wenn ich dann endlich einschlafen kann, träume ich, dass ich völlig nackt bin, unfähig, Sie davon abzuhalten, sich … viele Freiheiten herauszunehmen.“

Dieses Mal blieb er stehen, allerdings musste sie ihn nicht daran erinnern, weiterzugehen. „Miss Cantwell, versuchen Sie etwa, mich zu erregen?“

Ihr Herz hatte eine Weile lang heftig geschlagen, und nun rauschte ihr das Blut in den Ohren. „Ich spreche nur die Wahrheit aus. Ich verachte mich für diese Sehnsüchte, dieses Verlangen, das in mir wütet. Aber es wütet nun einmal. Ich möchte sagen, dass ich den Rest meines Lebens davon träumen werde, dass Sie mich berühren.“

Seine Augen verdunkelten sich, seine Hand schloss sich fester um seinen Gehstock. Innerlich zitterte sie. Vor Nervosität, ja, aber auch vor etwas, was beinahe ein Hochgefühl war.

So also konnte sie das Spiel spielen.

„Was haben Sie dagegen, Ihre Träume wahr zu machen?“

„Meine ganze Erziehung, wie wohl nicht eigens erwähnt werden muss. Aber es gibt noch etwas anderes, etwas, das Sie mit ihrem gewaltigen Reichtum nicht verstehen können.“

„Bitte erhellen Sie mich.“

„Wir sind arm, wissen Sie. Wir nagen nicht am Hungertuch, da meine Mutter immer noch eine Küchenmagd hat und eine Drittelstelle von einem Gärtner. Wir können von ihrem Einkommen leben. Aber das heißt auch, dass wenig übrig bleibt für alles andere außer Lebensmittel, Tee und Kohlen.

Es gibt da einen Laden in Cirencester, der ein Teleskop im Schaufenster hatte. Zehn Jahre lang bin ich jeden Monat davor stehengeblieben, um das Teleskop zu bewundern. Ich wollte dieses Teleskop dringender haben, als ich sonst irgendetwas in meinem Leben wollte. Ich habe jede Nacht davon geträumt und am Tag Pläne darum geschmiedet.

Das Teleskop war in Kommission dort. Der Ladenbesitzer hat mir insgeheim anvertraut, was der niedrigste Preis war, zu dem er es veräußern durfte. Aber ich konnte mir das nicht leisten – jeder Pfennig, der übrig blieb, wurde in eine Notfallkasse für Matilda getan. Dann, eines Tages war das Teleskop fort. Ein Gentleman hatte es für seinen zehnjährigen Sohn gekauft, zu dem ursprünglichen Preis, den sein Besitzer haben wollte.“

Verspätet merkte sie, dass sie beide stehen geblieben waren. Er sah sie an, wandte den Blick nicht von ihr.

„Und?“, hakte er nach.

„Nichts. Ich habe weitergemacht. Ich war so daran gewöhnt, es nicht zu haben, dass es an meinem Leben nichts geändert hat. Und so wird es auch mit Ihnen sein. Egal, wie sehr ich Sie auch begehre, es wird mir gelingen, es auszuhalten. Und ich werde weitermachen, als ob nichts weiter geschehen wäre.“

Die glücklichste Lady von London

Melodramatisch, aber gelungen melodramatisch, wenn sie so vermessen sein durfte, das zu sagen. Er jedenfalls schien davon wie gebannt.

Sie setzte sich wieder in Bewegung – sie begannen die Aufmerksamkeit von den Blinde-Kuh-Spielern zu erregen, wenn sie so dastanden. Ein paar Schritte weiter hatte er sie eingeholt.

„Warum wollten Sie das Teleskop?“

Das war nicht das, was sie erwartet hatte. Nicht, dass sie überhaupt noch wusste, was sie von ihm erwarten durfte. „Das ist für unser Gespräch nicht weiter von Bedeutung.“

„Ich wüsste es aber gerne.“

„Dann werde ich es Ihnen sagen, wenn wir zusammen im Bett sind, aber nicht vorher.“ Sie errötete angesichts des Bildes, das sie damit heraufbeschwor.

„Und wir werden erst dann gemeinsam in einem Bett liegen, nachdem ich Ihnen meinen Namen und meinen Schutz vor einem Mann Gottes versprochen habe.“

„Ganz genau.“

„Sie sind eine durchtriebene Frau, Miss Cantwell“, teilte er ihr mit.

Sie spürte die Wärme in seiner Stimme bis tief in ihr Innerstes, als hätte er sie berührt. „Nur aus Notwendigkeit“, antwortete sie mit gespielter Bescheidenheit.

„Sie wären an Mr Pitt verschwendet. Und noch mehr an Lord Firth. Dieser Mann würde eine Scheidung verlangen, wenn er wüsste, wie Sie in Wahrheit sind.“

„Ich würde dafür sorgen, dass er das nie erfährt.“

„Und was für eine Ehe wäre das dann?“

„Eine, wie Sie sie mit Ihrer zukünftigen Gattin führen werden, die nie ahnen wird, wie Sie in Wahrheit sind“, stellte sie fest, was ihr einen weiteren überraschten Blick von ihm eintrug. „Also sagen Sie bitte nicht, das, was Sie für sich selbst für eine ausgezeichnete Idee halten, sei nicht gut genug für mich.“

„Touché“, gestand er ihr zu.

Er sagte sonst nichts. Die Stille war zugleich nervenaufreibend und elektrifizierend. War sie überzeugend genug gewesen? Oder am Ende zu überzeugend? Hatte sie sein Interesse angestachelt oder war es ihr lediglich gelungen, ihn zum Umdenken zu bewegen?

Bei ihrer Rückkehr empfing Lady Balfour sie mit einem strahlenden Lächeln. „Ich konnte von hier aus sehen, dass es eine intensive und überaus interessante Unterhaltung war, die Sie da geführt haben.“

„Miss Cantwell war ganz fasziniert von den Hausgesellschaften, die ich gebe“, antwortete Lord Wrenworth aalglatt. „Ihr war gar nicht bewusst, dass ein Gentleman ohne Ehefrau oder Schwester Gesellschaften veranstalten kann, die sowohl prächtig sind als auch vollkommen respektabel.“

Lady Balfour schlug sofort zu. „Nun, dann müssen Sie sie auf jeden Fall einladen. Sie können ihr damit nicht erst den Mund wässrig machen und ihr dann die Erfahrung vorenthalten.“

Louisa seufzte innerlich, als Lord Wrenworth völlig unschuldig sagte: „Oh, ich habe gar nicht vor, Miss Cantwell die Erfahrung vorzuenthalten. Aber sie hat erklärt, sie wolle nach der Saison nach Hause zurückkehren und sich dort eine ganze Weile erholten, ohne einen Fuß vors Haus zu setzen.“

Die glücklichste Lady von London

„Ach, Louisa, das ist Unsinn. Ich weiß, wie sehr dir deine Familie fehlt, aber man sollte sich auf keinen Fall die Gelegenheit entgehen lassen, die Gastfreundschaft des Herrn von Huntington kennenzulernen.“

„In der Tat. Meine Gastfreundschaft ist der Stoff, aus dem Legenden sind“, bemerkte Lord Wrenworth mit einem scheinbar arglosen Blick zu Louisa. „Aber das Ende der Saison ist noch weit, und es ist noch mehr als genug Zeit für Miss Cantwell, es sich noch einmal zu überlegen.“

„Und das wird sie auch tun“, bestimmte Lady Balfour ungnädig.

„Ich bin sicher, Sie haben recht, Mylady.“ Er verneigte sich. „Guten Tag, Lady Balfour. Und Ihnen ebenfalls, Miss Cantwell.“